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Zwei Frauen lachen miteinander

Warum Nachbarn gut für die mentale Gesundheit sind

ArtikelLesezeit: 3:00 min.

Die Nachbarschaft ist ein Mikrokosmos, der von zwischenmenschlichen Beziehungen geprägt ist. Je wohlwollender die sozialen Interaktionen untereinander, desto besser ist es für die Gemeinschaft. Wie das gelingt, erklärt Psychologin Prof. Dr. Susanne Bücker.

Expertenbild

Die Expertin zum Thema

Prof. Dr. Susanne Bücker

Professorin für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie
Universität Witten/Herdecke, Foto: Universität Witten/Herdecke

Die Nachbarschaft: ein sozialer Raum zum Großwerden

Unsere Nachbarschaft prägt uns schon als Kinder. Sie ist ein Raum voller unterschiedlicher Personen: Alte und junge Menschen, Menschen mit Arbeit und ohne, Menschen unterschiedlicher Herkunft und Menschen mit Familie oder Alleinstehende treffen aufeinander. Jeder mit seiner eigenen Geschichte. Kinder, die so aufwachsen, entwickeln dabei ihre eigene Identität, lernen über die Nachbarskinder andere Familienmodelle kennen und finden heraus, wie sie sich in einer Gruppe verhalten und bei anderen Menschen ankommen. „Schon beim Erwachsenwerden spielt die Nachbarschaft eine große Rolle, auch weil heutzutage die eigentlichen Kernfamilien tendenziell immer kleiner werden und nicht jedes Kind mit Geschwistern aufwächst“, sagt Prof. Susanne Bücker.

Beiläufige Begegnungen machen, dass wir uns gut fühlen

Aber auch die Erwachsenen profitieren vom Tür-an-Tür-Wohnen. Schon ein kurzer Kontakt kann für positive Gefühle und einen Moment der Verbundenheit sorgen. „In der Beziehungsforschung dachte man lange, dass solche oberflächlichen Beziehungen gar nicht so viel für das Wohlbefinden tun. Heute wissen wir, dass beiläufige Begegnungen auf der Straße oder im Hausflur, ein kurzes ‚Hallo‘ oder auch nur ein Blickkontakt einen erheblichen Mehrwert für die mentale Gesundheit haben. Selbst solche kurzen Momente des Wahrgenommenwerdens sorgen für das Gefühl, zur Gemeinschaft dazuzugehören“, sagt Prof. Bücker.

Die Kehrseite: zu viel Aufmerksamkeit

Eine gute Nachbarschaft bringt mit sich, dass Menschen aufeinander achten, ihre Hilfe anbieten oder auf Probleme aufmerksam machen, etwa wenn die Haustür offensteht. Aber natürlich gibt es hier auch manchmal die Kehrseite: zu viel Aufmerksamkeit von den Nachbarn und das Gefühl, beobachtet oder kontrolliert zu werden. Prof. Bücker: „Wenn nachbarschaftliche Beziehungen nicht gut funktionieren, sind Menschen einem Dauerstress ausgesetzt.“

Das Problem dabei ist, dass wir uns unsere Nachbarn in der Regel nicht aussuchen können – und gleichzeitig ist es in Zeiten knappen und teuren Wohnraums keine Option, ständig umzuziehen, nur weil uns die Nachbarn nicht gefallen. Deshalb sollte es im Interesse aller sein, gut miteinander auszukommen und das sogar proaktiv zu fördern, meint Prof. Bücker: „Wer das Bedürfnis hat, seine Nachbarschaft aufzubauen, kann jederzeit Eigeninitiative ergreifen und sich durch einen Zettel im Briefkasten oder durch Klingeln an der Haustür vorstellen – mit dem Angebot, sich einmal auf einen Kaffee zu treffen.“

Kleine Angebote erhalten die Nachbarschaft

Aus einer nicht vorhandenen Nachbarschaftsbeziehung eine gute zu machen, gehe ganz behutsam, sagt Prof. Bücker: „Es empfiehlt sich, zunächst einmal die Nachbarschaft zu beobachten und dann ganz kleine Vorstöße zu machen. Ein Gespräch darüber zu beginnen, dass einem etwas besonders positiv aufgefallen ist oder dass man den Eindruck hat, jemand könnte Unterstützung gebrauchen. Hier helfen uns unsere sozialen Antennen dabei, mit dem nötigen Feingefühl vorzugehen.“ Dann lasse sich das Ganze weiterspinnen, mit kleinen nachbarschaftlichen Angeboten: etwa die Mülltonnen im Urlaub an die Straße zu stellen oder für die alleinerziehende Mutter den Wocheneinkauf zu transportieren. 

Bei Stress: immer in den anderen hineindenken

Sollte es mal zu Stress unter Nachbarn kommen, helfe es, wie generell beim achtsamen Umgang zwischen Menschen, sich in die andere Person hineinzuversetzen und den Blick zu weiten: weg von den eigenen Bedürfnissen, hin zu den Bedürfnissen der Menschen um uns herum. „Wenn also das Nachbarskind seinen 18. Geburtstag bis 1 Uhr nachts im Garten feiert und die Nachbarn ansonsten eher ruhige Personen sind, sollten wir einfach großzügig darüber hinwegsehen und vielleicht doch ausnahmsweise einmal Ohrstöpsel benutzen“, so Prof. Bücker. Es gehe im Grunde um offene Augen und Ohren für die Bedürfnisse und besonderen Umstände der Menschen in unserer direkten Nachbarschaft.

Behutsame Interaktionsangebote für einsame Nachbarn

Besonders viel Feingefühl braucht es, isolierte Menschen in der Nachbarschaft aus ihrer Einsamkeit zu locken. „Hier hilft eine Grundhaltung der freundlichen Hartnäckigkeit: also immer freundlich zu bleiben und sich nicht abschrecken zu lassen, selbst wenn diese Person erste Kontaktversuche oder auch Einladungen ablehnt“, so die Expertin. „Denn das ist eine typische Reaktion von Menschen, die sich über einen längeren Zeitraum einsam fühlen. Sie haben häufig Schwierigkeiten, anderen Menschen zu vertrauen und fürchten sich vor neuen sozialen Beziehungen, weil sie das Risiko bergen, zurückgewiesen zu werden. Das versuchen solche Menschen oft zu vermeiden und bauen deshalb einen Schutzwall um sich herum auf. Den gilt es in kleinen Schritten zu überwinden.“

Hier eignen sich laut Prof. Bücker ein paar Tricks: Dem zurückgezogen lebenden Nachbarn ein Stück Kuchen herüberzubringen mit der Aussage, man habe einfach zu viel gebacken. Das signalisiere dem anderen, dass nicht er Hilfe bekommt, sondern dass von ihm Hilfe benötigt wird: nämlich dabei, diesen Kuchen aufzuessen und vor dem Verderben zu retten. „Das ist ein sehr gutes offenes Angebot, das nicht darauf abzielt, jemandem soziale Almosen zukommen zu lassen, sondern eher ein Gefühl des Gebrauchtwerdens vermittelt.“

Engagement als nachbarschaftlicher Netzwerker

Für die Menschen, die sich aktiv als Netzwerker in ihrer Nachbarschaft engagieren, bedeutet das einen gewissen Zeitaufwand und persönliches Engagement. Prof. Bücker: „Es ist wie ein Ehrenamt, ohne dabei in einem offiziellen Verein zu sein, und braucht den inneren Beschluss: ‚Ich mache das, weil es richtig und wichtig ist.‘ Das können sicherlich nicht alle und es muss auch nicht mehr sein, als man selbst verkraften kann. Aber wer diese Aufgabe als sinnstiftend empfindet, sollte es gerne tun. Je mehr Menschen sich für andere engagieren, desto besser. Denn gesellschaftlicher Zusammenhalt funktioniert nur, wenn sich die Mitglieder der Gesellschaft Zeit füreinander nehmen.“

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