Manche Momente im Leben sind schon eine echte Herausforderung. An die Seele, an den Körper, an den inneren Schweinhund. Die Stimmung ist mies, der Katzenjammer groß. Aber wir müssen uns dem nicht willenlos hingegeben – wir können uns mit Achtsamkeit und Resilienz dagegen aufstellen, uns Mut machen und dazu motivieren, solche Phasen für uns zu nutzen. Wie, erzählt Resilienz-Trainerin Tamara Schwab.
Tamara Schwab hat in den vergangenen Jahren mehrere große Krisenmomente erlebt: Eine langwierige Herzerkrankung, zwei plötzliche Herztode und eine Herztransplantation haben sie immer wieder für mehrere Monate aus dem Alltag gerissen. Sie hat diese Zwangspausen genutzt,um über sich selbst nachzudenken, und dabei Resilienz für sich entdeckt. Im Interview gibt Tamara Tipps, wie du deine Resilienz, auch psychische Widerstandskraft genannt, stärkst, um besser auf Katzenjammer-Momente reagieren zu können.
Die Expertin zum Thema
Tamara Schwab
Expertin für Resilienz und Organspende
Tamara, wie lassen sich Katzenjammer-Momente mithilfe von Resilienz schon im Anflug abfangen?
Redaktion
Für mich ist Resilienz so etwas wie eine Werkzeugkiste aus mehreren Persönlichkeitseigenschaften, die sich im Laufe des Lebens füllt. Wenn ich dann in eine Situation gerate, die mich herausfordert, kann ich mir aus meinem Werkzeugkoffer die passenden Werkzeuge raussuchen und diese nutzen, um die Situation mental gesund zu bewältigen. Bei einigen Menschen ist dieser Werkzeugkoffer von Natur aus schon gut gefüllt, bei anderen weniger. Das heißt, bestenfalls trainiert man seine Resilienz schon vor herausfordernden Situationen, damit der Werkzeugkoffer dann zur richtigen Zeit fertig bereitsteht. Eine „erste Hilfe“ für Katzenjammer-Momenten könnte sein, sich zunächst überhaupt seiner selbst bewusst zu werden, also aktiv zu reflektieren: Wie geht es mir gerade, was ist mit mir? Und wenn das zur Routine wird, weiß ich in vielen Situationen, in denen es mir nicht gut geht, ziemlich sicher, woran das liegt. Und kann dann daran arbeiten.
Tamara Schwab
Was sind deine besten Tipps fürs „Aufrappeln“?
Redaktion
Ich frage mich zum Beispiel regelmäßig, wo mein persönlicher innerer Akku steht – ist er voll, also auf Grün? Oder sackt er gerade ab von Gelb auf Rot? Spätestens dann besteht Handlungsbedarf. Es lohnt, die Ressourcenfresser in unserem Leben gezielt aufzuspüren, sie sich vorzunehmen und sie zu reduzieren, um dann mehr Raum für die Ressourcenspender in unserem Leben zu haben. Wichtig ist, durchgehend auf seinen inneren Akku zu achten, nicht nur, wenn es einem schlecht geht.
Es gibt übrigens auch gute kostenlose Selbstreflexions-Apps, die mir jeden Tag eine konkrete Frage zu mir selbst stellen. Nach einem Jahr geht es mit denselben Fragen von vorne los und es ist interessant zu sehen, wie sich die Antworten mit einem Abstand von einem Jahr unterscheiden. Daran erkenne ich meine persönliche Weiterentwicklung.
Tamara Schwab
Brauchen wir für das Resilienz-Training nur uns selbst oder hilft es, andere Menschen einzubeziehen?
Redaktion
Ich würde empfehlen, sich im ersten Schritt allein Gedanken darüber zu machen, was gerade das Problem ist, woher der „Katzenjammer“ kommt. Sind die Gedanken dann sortiert, können andere Menschen aus dem Umfeld sehr wertvoll sein. Sie können spiegeln, was ihnen gerade an mir auffällt, wie sie mich erleben. Und der Kontakt zu Menschen kann uns generell helfen, dass es uns besser geht. Bewusst Zeit miteinander zu verbringen, ist ein sehr guter Ressourcenspender. Außerdem lassen sich die verschiedenen Resilienzübungen auch gemeinsam machen. So kann man sich gegenseitig in der Entwicklung unterstützen, neue Perspektiven nutzen, sich motivieren und eigene gedankliche Leitplanken überwinden.
Tamara Schwab
Kann so ein Katzenjammer also auch produktiv sein und zur persönlichen Entwicklung beitragen?
Redaktion
Ich bin der Meinung, dass Katzenjammer nichts Produktives an sich hat – weil es häufig nur ein Vor-Sich-Hin-Jammern ist: Alles ist blöd, ich suhle mich in negativen Gedanken. Das erzeugt in uns eher dauerhaften Stress. Wenn es mir aber gelingt, aus dem Jammern herauszukommen, kann ich die Zeit, die ich sonst aufs Jammern verwenden würde, für mich und mein persönliches Resilienz-Training nutzen. Oder wer wie ich damals gesundheitsbedingt für mehrere Monate aus dem Alltag gerissen wird, der kann diese Zeit ebenfalls gewinnbringend für sich verwenden: Indem man sich mit sich selbst beschäftigt, sich Gedanken über die eigene Person macht und über das, was einem wirklich wichtig ist im Leben. Was möchte ich zum Beispiel noch im Leben erreichen? Ziele lassen uns optimistisch in die Zukunft blicken. Dabei hilft es aber auch, unsere Ziele in Häppchen aufzuteilen und in kleinen Schritten an sich zu arbeiten. Das braucht Geduld: Resilienz hat auch sehr viel mit Durchhaltevermögen zu tun.
Ich kann mich aber auch erst einmal auf einen Resilienzfaktor konzentrieren – zum Beispiel „Optimismus“ – und mich einen Monat lang intensiv mit diesem Motto beschäftigen. Und im nächsten Monat ist die nächste Persönlichkeitseigenschaft dran.
Tamara Schwab
Du bist über deine schwere Erkrankung – eine langwierige Herzerkrankung, zwei plötzliche Herztode und eine Herztransplantation – zur Resilienz gekommen. Was hat dir mental am meisten geholfen?
Redaktion
Das war ein Tipp meiner Psychologin: Ich mache jeden Tag ein Date mit mir selbst. Das können zwei Stunden oder nur 15 Minuten sein, so, wie es in den Alltag passt. In dieser Zeit mache ich nur, was mir richtig Freude bereitet, ein Highlight, auf das ich mich jeden Tag freue, sei es eine Gesichtsmaske, die Lieblingsserie oder ein Spaziergang. Das wirkt den Tag über wie eine Energiespritze: Mein innerer Akku lädt.
Tamara Schwab
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