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Mann mit geschlosssenen Augen greift sich mit den Fingerspitzen an die Schläfen

Mit Achtsamkeit gegen Schmerz

ArtikelLesezeit: 2:00 min.

Meditation statt Schmerzmittel – und alles wieder gut? Nicht ganz. Chronische Schmerzen dauern oft noch an, wenn ihre körperliche Ursache längst behoben ist. Deshalb nimmt die psychologische Betrachtung in der Therapie einen wichtigen Stellenwert ein. Ein wesentlicher Baustein: Achtsamkeit.

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Die Expertin zum Thema

Dr. Linda Tan

Fachärztin Allgemeinmedizin mit Schmerztherapieschwerpunkt
Zentrum für Naturheilkunde und Schmerztherapie in Düsseldorf

„Chronische Schmerzen sind ein Teufelskreis! Je mehr Schmerzen die Patienten erleben, desto schmerzempfindlicher wird ihr Nervensystem. Schonhaltungen und innere Anspannung verstärken das Problem. Häufig kommen dann noch Angst, Panik, Schlafstörungen und Depressionen hinzu – und die Schmerzspirale dreht sich immer weiter“, erklärt Dr. Linda Tan, Fachärztin für Allgemeinmedizin mit Schmerztherapieschwerpunkt am Zentrum für Naturheilkunde und Schmerztherapie in Düsseldorf. Sie behandelt seit vielen Jahren chronische Schmerzpatienten mit einer Kombination aus Schulmedizin und Verfahren aus der europäischen und chinesischen Naturheilkunde.

Von chronischen Schmerzen sprechen Experten, wenn die Schmerzen länger als drei Monate anhalten. Laut der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes leben mehr als 12 Millionen Menschen in Deutschland damit. Meist leiden Betroffene jahrelang, bevor sie tatsächlich Hilfe finden. Das Interessante: Oft dauern die Schmerzen an, obwohl ihre körperliche Ursache längst abgeheilt ist. Dieses Phänomen ist als Schmerzgedächtnis bekannt. Die Forschung geht davon aus, dass Patienten ihre Schmerzen als Folge eines überempfindlich gewordenen Zentralnervensystems erleben. Die Schmerzimpulse werden zum einen schlechter unterdrückt und zum anderen schneller als gewöhnlich ans Gehirn weitergeleitet. Unbehandelt verlieren die Schmerzen ihre Funktion als Warnsignal und werden zu einer eigenen Krankheit.

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„Chronischer Schmerz lässt sich allein auf körperlicher Ebene nicht erklären – und somit auch nicht lösen.“

„Chronischer Schmerz lässt sich allein auf körperlicher Ebene nicht erklären – und somit auch nicht lösen. Deshalb steht meist die psychologische Betrachtung im Vordergrund“, sagt Dr. Tan. „Denn neben einer Überempfindlichkeit des zentralen Nervensystems, kann Schmerzerleben auch erlernt werden.“ Das bedeutet nicht, dass Patienten sich den Schmerz einbilden. Im Gegenteil: Schmerzen werden immer erlebt. Aber chronische Schmerzen entstehen stets im Zusammenspiel von Körper, Psyche und Umwelt – und müssen auch entsprechend betrachtet werden. Eine ganzheitliche Therapie, wie naturheilkundliche Verfahren sie bieten, kann darum besonders wirkungsvoll sein.

Das Schmerzgedächtnis muss überschrieben werden. Das ist oft ein langer Weg. Ein wichtiger Baustein in diesem Prozess ist Achtsamkeit. Die Datenlage zum Verhältnis von Schmerz und Achtsamkeit ist in vielen Feldern mittlerweile gut gesichert und zeigt, dass Achtsamkeitsübungen Schmerz und schmerzbedingte Symptome lindern können. „Einige chronische Schmerzpatienten erleben ihren Körper als Gegner und distanzieren sich von ihren körperlichen Gefühlen“, sagt Dr. Tan. „Das ist allerdings kontraproduktiv, da eine Zusammenarbeit von Psyche und Körper so nicht möglich ist.“ Eine Neuprogrammierung des Zentralnervensystems sei nur möglich, wenn der Patient sich mit seinem Körper und seinen Emotionen auseinandersetzt: „Durch naturheilkundliche Verfahren oder Achtsamkeitsübungen kann er wieder die ‚Kontrolle‘ übernehmen.“

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„Chronische Schmerzpatienten erleben ihren Körper häufig als Gegner und distanzieren sich von ihren körperlichen Gefühlen. Das ist allerdings kontraproduktiv.“

Ganz ohne Medikamente geht es aber häufig dennoch nicht. Wichtig ist die richtige Kombination. Dr. Tan befürwortet bei der Behandlung von chronischen Schmerzen eine ausgewogene Mischung aus schulmedizinisch-medikamentöser Therapie und naturheilkundlichen Verfahren sowie Achtsamkeitstraining. Dieser ganzheitliche Ansatz ist auch unter dem Begriff „Integrative Medizin“ bekannt. Er wurde in den letzten Jahrzehnten in vielen Studien belegt und erlangt immer mehr Akzeptanz in der Gesellschaft. In Deutschland gibt es mittlerweile mehrere universitäre Lehrstühle für Integrative Medizin. „Eine Kombination aus bewährter Schulmedizin und integrativen Verfahren ist das Beste aus zwei Welten“, fasst Dr. Tan zusammen. „Idealerweise verschwindet der Schmerz so irgendwann wieder komplett. Das passiert jedoch nicht immer. Umso wichtiger ist es dann, dass sich die Patienten ihre Lebensqualität zurückerobern.“