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Zwei Frauen umarmen sich innig

Trennungen verarbeiten – und positiv nach vorne blicken

ArtikelLesezeit: 3:00 min.

Trennungen gehören zum Leben – dieser Kalenderspruch beinhaltet viel Wahres, denn niemandem von uns werden Trennungen im Leben erspart bleiben. Die Frage ist nur, wie wir damit umgehen und was wir daraus lernen. 

Expertenbild

Die Expertin zum Thema

Nadja von Saldern

Heilpraktikerin für Psychotherapie und zertifizierte systemische Paartherapeutin, Berlin/Potsdam
© Detlef Eden

Wenn Trennungen unerwartet kommen

Erinnerst du dich noch an deinen ersten Tag im Kindergarten? Für viele Kinder ist dies eines der ersten Trennungserlebnisse. Ab dann folgen im Laufe eines Lebens noch viele mehr: Abschied vom Elternhaus, der Tod der Großeltern, die erste große Liebe, der Verlust des Arbeitsplatzes oder das Ende einer Freundschaft. Sie passieren, sind häufig nicht abzuwenden und auch nicht vorherzusehen. Und genau das ist ein entscheidender Punkt: „Trennungen, die wir nicht haben kommen sehen, haben die Kraft, ein kleines Trauma auszulösen, zumindest aber einen Schock“, sagt Trennungsexpertin Nadja von Saldern. „Dieser Schmerz, der durch das Zerschneiden von Bändern, Verbindungen, liebgewonnenen Menschen, Tieren oder Orten ausgelöst wird, ist manchmal überwältigend.“ Auch wenn das nicht auf alle Menschen zutrifft, denn wer konsequent die Lebenseinstellung verfolgt, nur nach vorne zu blicken und nicht zurück, kann diese tiefe emotionale Phase von Trennungen recht abgeklärt überspringen. Das bedeutet aber auch, etwas gefühlloser durch das Leben zu gehen. „Menschen, die selbst schon Trennungen erlebt haben, haben hingegen die Fähigkeit, besser mitzufühlen, wenn sich ihre Mitmenschen in Trennungssituationen befinden. Das trainiert die Empathie“, so die Expertin.

Helfen Strategien im Umgang mit Verlusten?

Unser individueller Umgang mit Trennungen ist auch Teil unserer Sozialisation. Wie wir aufgewachsen sind, welche Erfahrungen wir gemacht haben und an welchen Vorbildern wir uns orientiert haben, prägt Glaubenssätze und Verhalten bis ins Erwachsenenalter. „Ich glaube, dass Kinder früh lernen sollten, was Loslassen und Trennung bedeuten, dass sie ganz langsam an das ganze Spektrum von Emotionen herangeführt werden sollten und dabei selbst erfahren, dass irgendwann wieder etwas Neues kommt, eine neue Tür aufgeht und es nicht mehr so weh tut.“ Wichtig dabei sei, nicht ins Negative zu verfallen und an Glaubenssätzen festzuhalten wie „Ich habe es nicht verdient, glücklich zu sein“.

Vorwärtsleben und aufs Neue vertrauen

Wie lange eine schmerzvolle Phase nach einer Trennung andauern darf, steht nirgendwo geschrieben. Je nach Ereignis und Persönlichkeit können die inneren Wunden schnell heilen und Vernunft und Zuversicht schnell zurückkehren – oder eben nicht. Eine Regel, wer wann wie lange wegen welchen Vorfalls trauern darf, gibt es nicht. Irgendwann sei aber der Zeitpunkt gekommen, an dem die Entscheidung bewusst getroffen werden muss, wieder am Leben teilhaben zu wollen, so die Expertin.  

Loslassen lernen und auf sich selbst vertrauen

Innerhalb menschlicher Beziehungen ist es eine Frage der Achtsamkeit, Empathie und Wertschätzung, aktive Trennungen sanft vorzubereiten, um dem Gegenüber den Schock einer völlig unvorhergesehenen Trennung zu ersparen. Denn eine abrupte Trennung nimmt Menschen manchmal von einer Sekunde zur nächsten alle Zukunftspläne, Hoffnungen und Träume: Es wird keinen nächsten gemeinsamen Urlaub mehr geben, keine gemeinsamen Kinder und – im Falle des Arbeitsplatzverlusts – keine gemeinsame Mittagspause mit den Lieblingskollegen. „Wir können nicht mehr autonom handeln; es wird etwas mit uns gemacht, was wir nicht wollen. Das kann brutal sein. Wird vom Gegenüber hingegen sanft darauf hingearbeitet, und stimmt der Kontext, in dem die Nachricht überbracht wird, ermöglichen wir in der Situation eine emotionale Hilfe. Das kann dabei helfen, eine posttraumatische Belastungsstörung mit all ihren langwierigen Folgen zu vermeiden“, sagt Nadja von Saldern. „Wer sich aktiv trennt, hat auch immer die Verantwortung, nur so viele Verletzungen zu hinterlassen wie nötig.“ Sprich: Es reicht eine rationale Erklärung ohne großes Nachtreten. „Gerade in Paarbeziehungen ist es ja so, dass genau der Mensch, von dem ich denke, ihm kann ich am stärksten vertrauen, mir diesen Schutz einfach so nimmt.“

Die Zeit heilt – auf individuelle Weise

Laut Nadja von Saldern ist es bei Trennungen ganz wichtig, die emotionalen Phasen zu durchlaufen. Dazu gehört zunächst das Verdrängen, gefolgt vom Realisieren, dass etwas wirklich unwiederbringlich zu Ende ist. Das kann einen Absturz auslösen, der uns zum Erreichen des Tiefpunkts führt, auf den dann ein kraftvoller Abstoß erfolgt und „das Leben“ wieder neu beginnen kann. Wer diesen Prozess nicht durchlebe, drohe in der Phase des Nichtwahrhabenwollens steckenzubleiben. „Solche Menschen leben in einem schwarzen tiefen Loch, in einer Parallelwelt“, so von Saldern. Hier helfe die Erkenntnis, dass jeder schon mal Trennungen erlebt hat und davon erzählen kann: unter Freunden, in Selbsthilfegruppen – Hauptsache, derjenige ist nicht allein mit seinen Emotionen, und schafft es, eine Vision für die Zeit danach zu entwickeln. 

Der Verlust als Chance für ein Leben voller Emotionen

„Es ist wirklich wichtig, selbst zu erfahren, dass Trennungsschmerz auch etwas Gutes hat. Jeder Schmerz bedeutet auch Heilung. Ich erfahre auf diese Weise, dass ich das aushalte und mein Körper und meine Seele lernen, wie sie sich im Laufe der Zeit wieder davon befreien kann.“
Jede Trennung hat somit auch etwas Positives. Nadja von Saldern sagt: „Trennungen gehören tatsächlich zum Leben dazu, und ich glaube, je voller unser Leben ist, je mehr wir es leben, umso besser kommen wir damit klar. Viel besser, als wenn wir uns nur an eine Sache klammern, im Leben nur unseren Job oder unsere Kinder sehen. Weite und Vielfalt helfen uns vielmehr dabei, auch mal einen Verlust hinzunehmen.“

Achtsamkeit kann dir durch die Trennung helfen

In Trennungsphasen kann Achtsamkeit ein emotionaler Anker sein. Sie hilft, den schwierigen Moment auszuhalten, ohne ihn sofort zu bewerten. Statt ständigem Herumgrübeln über das „Was wäre, wenn“ und „Warum“, lenkt Achtsamkeit den Fokus auf das Hier und Jetzt. Gefühle zu benennen und ihnen Raum zu geben, sie durch bewusstes Atmen zu verkraften, kann Geborgenheit und Sicherheit geben. Achtsamkeit nimmt nicht den Schmerz, aber vielleicht macht sie ihn erträglicher. Und gleichzeitig finden wir den Mut, Schritt für Schritt nach vorne zu gehen und das Leben in der Gegenwart zu leben – und die Gewissheit zu spüren, dass wir es aus jedem tiefen Tal herausschaffen: aus eigener Kraft heraus.

Lebensübergänge als Chance: Wie wir mentale Stärke entwickeln, um große Veränderungen besser zu meistern, erklärt von Persönlichkeitspsychologin Prof. Dr. Eva Asselmann in diesem gib8-Artikel

Nadja von Saldern
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