Bei der Achtsamkeit spielt die Atmung eine zentrale Rolle. Wenn wir angespannt oder aufgeregt sind, atmen wir schneller, wenn wir entspannt sind, eher langsamer. Wir können die Atmung aber auch ganz gezielt nutzen, um unsere Gefühle zu steuern. Wie das geht, erklärt Dr. Thomas Rampp im Interview.
Der Experte zum Thema
Dr. Thomas Rampp
Oberarzt der Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin an den KEM | Evang. Kliniken Essen-Mitte
Autor des Buches „Immunbooster Atmen"
Herr Dr. Rampp, wie kann ich meine Atmung nutzen, um zu entspannen, und was kann ich tun, um konzentrierter zu sein?
Redaktion
Wenn ich mir mehr Zeit zum Einatmen nehme, dann wirkt das aktivierend. Wenn ich hingegen länger ausatme, dann komme ich zur Ruhe. Das kann ich in der Praxis ganz leicht steuern: Ich schließe die Augen, zähle bis vier und atme dabei ein – und dann atme ich langsam aus und zähle dabei bis sechs. Auch ein tieferes Atmen hat einen solchen beruhigenden Effekt. Nicht umsonst sagt man bei Stress: „Jetzt erst mal tief durchatmen.“
Dr. Thomas Rampp
Was bewirkt es, wenn ich tiefer atme und länger ausatme?
Redaktion
Wenn die Atmung entspannt ist, folgert das Nervensystem daraus, dass gerade kein Stress herrscht: Der Puls sinkt bei längerem Ausatmen spürbar. Studien zeigen, dass sich sogar der Blutdruck durch regelmäßige Atemübungen senken lässt. Auch die Stimmung wird durch Atemübungen besser – negative Emotionen werden in den Hintergrund gedrängt.
Dr. Thomas Rampp
Atmung wird oft als der beste Einstieg in die Achtsamkeit beschrieben. Warum?
Redaktion
Ich atme immer – ob ich mich auf eine bestimmte Atemtechnik konzentriere oder nicht. Gleichzeitig kann die Atmung unsere Aufmerksamkeit besonders leicht einfangen und festhalten. Die Atmung gibt uns kaum einen Anlass, abzuschweifen. Das ist ideal auch für Anfänger von Achtsamkeitsübungen.
Dr. Thomas Rampp
Wie lassen sich Achtsamkeitsübungen und Atemübungen unterscheiden?
Redaktion
Viele Übungen sind eng miteinander verwoben. Im Grunde ist die Atmung ein wesentlicher Aspekt der Achtsamkeit – wer eine Atemübung macht, der tut auch etwas für seine Achtsamkeit.
Dr. Thomas Rampp
Und für seine Gesundheit …
Redaktion
Wenn man tief und bewusst atmet, kann man das Einatemvolumen von weniger als einem halben Liter Luft auf etwa 2,5 Liter erhöhen. Wer seinem Organismus regelmäßig eine solche Atemkur zukommen lässt, steigert die Sauerstoffversorgung und die körpereigene Abwehr. Man wird nicht nur fitter und vitaler, auch die Infektionserkrankungen gehen zurück – bei den oberen Atemwegen zum Beispiel um 30 Prozent.
Dr. Thomas Rampp
Wie oft am Tag sollte man sich auf das Atmen konzentrieren?
Redaktion
Einmal täglich fünf Minuten bewusst Atmen können bereits etwas bewirken. Wer das ein paar Mal gemacht hat, kann es wie das Zähneputzen in den Tagesablauf aufnehmen, es gehört einfach dazu und dauert nicht lange. Beim Atmen ist man sogar besonders flexibel: Fürs Zähneputzen brauche ich ein Waschbecken und eine Zahnbürste, für Yoga am besten eine Yoga-Matte, fürs Joggen Laufschuhe – aber die Atmung habe ich immer dabei!
Dr. Thomas Rampp
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