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Barbara Terbrüggen

"Jetzt weiß ich, was es heißt, wirklich zuzuhören"

ArtikelLesezeit: 4:00 min.

Barbara Terbrüggen, 53, Marketing-Managerin, Köln

Barbara Terbrüggen hat eine enge Bindung zu ihrem Sohn, den sie nach dem Tod ihres Mannes alleine großgezogen hat. Doch als der in die Pubertät kommt, wird die Beziehung auf eine harte Probe gestellt. Ein Achtsamkeitskurs hat ihr dabei geholfen, die schwierige Zeit neu zu bewerten und hat sie ihrem Sohn wieder nähergebracht.

Wahrscheinlich war ich schon immer das, was man „tough“ nennt. Als ich mit 31 meinen Mann verlor, während ich im dritten Monat schwanger war und plötzlich ganz alleine dastand, habe ich mich nicht verkrochen, sondern in den „Kämpfermodus“ geschaltet. Ich wollte dieses Kind und ich wollte selbst für es sorgen können, von niemandem abhängig sein. Also habe ich meinen Sohn alleine großgezogen, habe parallel meine eigene Event- und Kommunikationsagentur geleitet, ein Haus für uns gebaut und abgezahlt, all das geschafft, was normalerweise zwei Leute gemeinsam stemmen. Aber mit 50 kam ich an einen Punkt, an dem ich einfach nicht mehr konnte. Ich stand am Beginn der Wechseljahre, hatte Schlafstörungen, Gedankenkarussell mitten in der Nacht. Dazu noch einen Sohn, mit dem ich gerade harte Jahre der Pubertät durchgemacht hatte ... Ich war einfach ausgelaugt.

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"Mit 50 kam ich an einen Punkt, an dem ich einfach nicht mehr konnte."
Barbara Terbrüggen

In mir reifte der Gedanke, dass ich etwas an meinem Leben verändern musste, aber ich wusste nicht, wo ich ansetzen sollte. Bis mir eine Bekannte ein Buch empfahl. Darin geht es darum, wie achtsames Selbstmitgefühl die Gesundheit stärken und unsere Beziehungen zu anderen Menschen verbessern kann. In diesem Buch habe ich das erste Mal von der MBSR-Technik gelesen, das bedeutet „Mindfulness-Based Stress Reduction“. Klingt, als ob es mir helfen könnte, dachte ich und machte mich auf die Suche nach einem Kurs in meiner Nähe.

Zunächst hat es mit der Meditation nicht geklappt

Drei Wochen später saß ich mit 10 anderen Teilnehmern im Schneidersitz im Kreis, sollte meine Gedanken kommen und gehen lassen, in mich hineinspüren, nichts tun, nichts bewerten. Was sich in der Theorie so vielversprechend angehört hatte, fiel mir in der Praxis teilweise extrem schwer. Ich hatte so starke innere Widerstände dagegen, mich auf die Meditationsübungen einzulassen, dass ich am liebsten aufgesprungen und davongerannt wäre. Aber dann veränderte sich etwas in mir. Je öfter ich die Übungen praktizierte und je offener ich mich darauf einließ, desto einfacher fiel es mir. Und desto mehr änderte sich meine Sicht auf die Situationen in meinem Leben, die mich davor so belastet hatten.

Mein Sohn war 18 zu diesem Zeitpunkt und wir hatten die letzten Jahre viele Kämpfe ausgefochten. Ich war stolz auf das, was ich ganz alleine, nach dem Tod meines Mannes geschafft hatte aufzubauen. Das kleine – aber immerhin eigene – Haus, in dem wir wohnten, mein Job und auch auf meinen Sohn, zu dem ich eine sehr enge Beziehung hatte. Doch mit Beginn der Pubertät hatte ich immer mehr das Gefühl, er würde sich von mir abwenden. Er fing an, so ziemlich alles schlecht zu machen, was wir hatten. Unser Haus, unser Auto, die Klamotten, die ich kaufte, alles war auf einmal zu klein, zu billig, nicht repräsentativ genug. Damals hat mich das unheimlich verletzt. Auch dass er seine Zeit fast nur noch mit seinen Freunden verbrachte, sich im Haushalt immer weniger beteiligte und mir nichts mehr aus seinem Leben erzählte, hat mich sehr traurig gemacht.

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"Ich hatte starke innere Widerstände, mich auf die Meditationsübungen einzulassen. Am liebsten wäre ich aufgesprungen und davongerannt."
Barbara Terbrüggen

Ich lernte, meine Gefühle mit Abstand zu betrachten

Ich weiß nicht mehr, wie oft ich das Gespräch mit ihm gesucht habe, um Lösungen zu finden, aber genau diese Gespräche sind dann immer eskaliert. Irgendwann saß ich jedes Mal da und habe geheult und er hat nur die Augen verdreht und gesagt „Oh man, jetzt heulst du schon wieder ...“ Im Achtsamkeitskurs habe ich dann etwas ganz Entscheidendes gelernt: Wir sind nicht unsere Gefühle. Wir sind nicht unsere Gedanken. Gedanken und Gefühle sind Konstruktionen und Annahmen, die aus bestimmten Erfahrungen entstehen, die wir in unserem Leben gemacht haben. Sie haben aber nichts mit unserem eigentlichen Selbst in diesem Moment zu tun.

Mein Sohn war damals komplett in der Selbstfindung, da waren oberflächliche Dinge einfach extrem wichtig und eigentlich hatte das alles sehr wenig mit mir zu tun, das weiß ich heute. Da ich aber schon immer jemand war, der sich viel mit anderen verglichen hat, kratzte sein Verhalten unglaublich an meinem Selbstwert. Durch die Achtsamkeit habe ich gelernt, dass dieses Gefühl des „Nicht-gut-genug-Seins“ und die damit verbundene Verletzlichkeit gar nichts mit der Realität zu tun hat, sondern eigentlich eine Konstruktion war, von der man sich loslösen kann. Auf einmal merkte ich, dass ich meine Gedanken und meine Gefühle beeinflussen kann und dass sie nicht in meiner Person gegeben sind. Dass ich entscheiden kann, wie ich mich fühle in meinem Leben. Dass es nichts bringt, andere Menschen krampfhaft „ändern“ zu wollen. Dass es allerdings durchaus etwas gibt, das ich ändern kann, nämlich meine eigene Perspektive, und das kann sehr heilsam sein.

Erst heute kann ich richtig zuhören

Und für noch etwas hat mir der Kurs die Augen geöffnet: Erst durch die Achtsamkeit habe ich gemerkt, dass ich meinem Sohn eigentlich nie richtig zugehört habe. Während er versucht hat, sich mitzuteilen, hatte ich im Kopf immer schon ein Gegenargument parat, habe innerlich schon auf Abwehr geschaltet. Das habe ich erst realisiert, als wir im Achtsamkeitskurs eine ganz einfache Übung gemacht haben. Ich sollte dabei mit einem Partner aus dem Kurs zwei Minuten über ein bestimmtes Thema sprechen. Und zwar auf folgende Art und Weise: Zwei Minuten ausschließlich zuhören und nur den anderen reden lassen. Dann 30 Sekunden warten, das Gesagte „sacken lassen“, dann Rollen tauschen. Es ist wirklich ganz erstaunlich, wie sich ein Gespräch verändert, wenn man weiß „Ich habe jetzt gerade keine Redezeit, ich bin jetzt mit Zuhören dran“. Und welche Erkenntnisse einem in den 30 Sekunden kommen, in denen man noch mal darüber nachdenkt, was der andere eigentlich gerade gesagt hat.

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"Manchmal denke ich, wie anders alles gelaufen wäre, wenn ich Achtsamkeit schon früher kennengelernt hätte."
Barbara Terbrüggen

Heute fragt mich mein Sohn oft um Rat, wenn er Probleme hat. Zum Beispiel hat er eine Zeit lang an seinem Studium gezweifelt. Früher wäre ich wahrscheinlich mit Durchhalteparolen gekommen: „Da musst du jetzt aber dran bleiben, du kannst das doch jetzt nicht abbrechen“ und so weiter. Heute höre ich mir das einfach nur an und sage, „Mann, so fühlst du dich also gerade, o.k.“. Ich kann das einfach so annehmen. Dann entsteht daraus ein offenes, fruchtbares Gespräch und man sucht gemeinsam nach Lösungen.

Manchmal kommt es vor, dass ich denke, „Wie anders wäre alles gelaufen, wenn ich Achtsamkeit schon früher kennengelernt hätte?“. Aber auch dieser Gedanke vergeht wieder, wie alle Gedanken und Gefühle, und dann bin ich wieder in dem Moment, der zählt. Im Jetzt.

Wie fühlt sich mein Leben an? Was möchte ich ändern?

Geführte Meditation zur Selbstfindung mit Achtsamkeitsexpertin Angela Homfeldt als Podcast

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